Überregulierung: Weniger ist mehr
Ein Beitrag von Dr. Astrid Mannes MdB im Mitgliedermagazin der Frauen Union Hessen
Seit Jahrzehnten klagen Betriebe wie auch Privatleute über die überbordende Bürokratie – und ebenso seit Jahrzehnten spricht die Politik vom Abbau überflüssiger Bürokratie. Spürbar verändern tut sich nichts - dies trotz aller Einigkeit, dass unser Land von den regulatorischen Belastungen gehemmt wird und Verfahrenszeiten dringlichst beschleunigt werden müssen. Gegenüber den Vorjahren sind die aus dem Bundesrecht resultierenden Belastungen für Unternehmen, Behörden und Bevölkerung weiter gewachsen – um 9,3 Millarden Euro pro Jahr und einmalig um 23,7 Milliarden Euro. Das geht aus dem Jahresbericht des Nationalen Normenkontrollrates hervor.
Zu viel Bürokratie führt auch zu vielen Bediensteten in den öffentlichen Verwaltungen und damit zu hohen finanziellen Belastungen der Steuerzahler. Im laufenden Bundestagsbetrieb erleben wir die Hilflosigkeit und Halbherzigkeit, mit der die derzeitige Bundesregierung beim Thema Entbürokratisierung agiert.
Wenn die Union nach der nächsten Bundestagswahl wieder in Regierungsverantwortung steht, muss sie das Thema Regulierung komplett neu angehen und einen regelrechten Kulturwandel einläuten.
Wenn es uns ernst ist mit dem Abbau von überbordender Bürokratie, dann sollte es nicht nur einen Bundesbeauftragten für den Datenschutz oder einen Bundesrechnungshof, sondern auch einen Bundesbeauftragten für Bürokratieabbau geben.
Hessen hat ersten Minister für Bürokratieabbau
Hessen hat als erstes Bundesland mit Manfred Pentz einen Minister für Bürokratieabbau eingesetzt, der diese gewaltige Aufgabe beherzt anpackt, und zeigt damit, dass unsere Landesregierung es ernst meint mit dieser Thematik.
Auch im Bund sollte es einen Beauftragten des Bundestages für Entbürokratisierung geben, der die Gesetzentwürfe auf Bürokratielasten prüft. Wenn es aus Sicht des Entbürokratisierungsbeauftragten eine bürokratieärmere Lösung gibt, muss diese in den Gesetzgebungsprozess einfließen. Dieser Beauftragte (mit seinem Team) soll Ansprechpartner auch für Unternehmer und Bürger sein und deren konkrete Vorschläge bewerten. Einmal im Jahr sollte dem Bundestag ein Bericht über die Entwicklung von Regulierung und Bürokratie vorgelegt werden. Auch sollte jedes einzelne Ministerium dem Beauftragten einen Bericht über den Abbau oder Aufbau von Regulierung und Bürokratie vorlegen. Hilfreich wäre gegebenenfalls ein Monitoring, mit dem dokumentiert wird, welches Ministerium am meisten Bürokratie aufgebaut oder abgebaut hat.
In vielem müssen wir umdenken: Was einmal geprüft ist, sollte Bestand haben und kein zweites Mal geprüft werden. Die umfangreichen Dokumentationspflichten müssen reduziert werden, damit sich beispielsweise Gastronomen, medizinisches Personal oder Landwirte wieder auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können.
Kommunale Selbstverwaltung ist im Grundgesetz verbrieft
Mittlerweile gibt es zum Schutze der Verbraucher in Deutschland über 1.000 Gütesiegel – als hätte der Verbraucher dabei eine Chance, sich in diesem Siegel-Dickicht noch orientieren zu können. Weniger Gütesiegel bedeutet also im Ergebnis einen besseren Verbraucherschutz! Auch die Verpflichtung für Finanzdienstleister, ihre Kunden umfassend über die angebotenen Finanzprodukte zu informieren und diese Beratung schriftlich zu dokumentieren, führt dazu, dass Verbraucher mit so vielen Seiten Text die Beratung verlassen, dass sie diese nur noch in seltenen Fällen überhaupt lesen. Kürzere Texte würden mit höherer Wahrscheinlichkeit gelesen. Gut gemeint erweist sich imVerbraucherschutzbereich also nicht zwangsläufig als gut.
Weniger ist auch in anderen Bereichen mehr. So gibt es für die Kommunen in Deutschland über 800 Förderprogramme der Europäischen Ebene sowie der Bundes- und Landesebene. Die vielen Förderprogramme sind gut gemeint, aber nicht gut. Durch die Fördermittelbereitstellung für bestimmte Aufgabenbereiche greifen die oberen Ebenen lenkend in die kommunale Selbstverwaltung ein.
Zudem verursachen die vielen Förderprogrammefür die Kommunen einen hohen Rechercheaufwand, den vor allem kleinere Kommunen personell nicht leisten können. Weitere Problemlagen führen dazu, dass viele Fördermittel gar nicht abgerufen werden. So vergeht zwischen der Antragstellung und dem Erhalt des Fördermittelbescheids oftmals sehr viel Zeit. Zudem schwebt bei jedem mit Fördermitteln finanzierten Projekt über der Kommune das Damoklesschwert der Rückforderung von bereits verwendeten Fördermitteln.
Nicht nur für die Kommunen ist die Inanspruchnahme von Fördermitteln mit enormem bürokratischem Aufwand verbunden, sondern auch für die Bewilligungsstellen. Die Förderprogramme müssen aufgesetzt, die Antragsunterlagen und Verwendungsnachweise geprüft und die Mittelauszahlung veranlasst und überwacht werden. Da das Verfahren der Einzelverwendungsnachweise für beide Seiten sehr zeitaufwendig ist, würde die pauschale Auszahlung eine erhebliche Vereinfachung auch in Sinne des Bürokratieabbaus bedeuten.
Am besten allerdings könnten der enorme Bürokratieaufwand und die Transaktionskosten für die kommunalen Verwaltungen gesenkt werden, indem man die kommunale Selbstverwaltung, die sogar im Grundgesetz verbrieft ist, ernst nimmt und die Kommunen selbst entscheiden lässt, wofür sie ihre Mittel einsetzen möchten und wo ihr Bedarf ist.
Warum also nicht die Förderprogramme der Länder- und Bundesebene auf ein Minimum reduzieren und die Mittel, die damit frei werden, nach dem üblichen Schlüssel direkt an die Kommunen verteilen und diese Gelder damit wieder in die Selbstverwaltung der Kommune legen? Dafür müssen Lösungen erarbeitet werden, wie die Mittel, die jetzt in die Förderprogramme des Bundes bzw. der europäischen Ebene gegeben werden, unbürokratisch an die Kommunen weitergeleitet werden können.
Dr. Astrid Mannes sitzt seit 2017 mit einer Unterbrechung im Deutschen Bundestag. Im Januar ist sie für Ingmar Jung nachgerückt. Sie ist Mitglied im Vorstand der Frauen Union Darmstadt-Dieburg sowie stellvertretende Kreisvorsitzende der CDU Darmstadt-Dieburg.